Harald Klinger

Text

Biografie

Ausstellungen

Werkgruppen:

Kopf • Gesicht • Schädel

No More Heads

Crux

Frau

Grafik:

Hommage á Klee

Tamara de L.

Akt

Pueblo

Text

Katalog

Impressum - Kontakt

Text von Florian Sendtner  (Text_Sendtner_Kreuzbuben.pdf)

Text von Ines Kohl  (Text_Ines_Kohl_Klinger Harald.pdf)

 

Zu den Werkgruppen von Harald Klinger

REINER R. SCHMIDT

Harald Klinger kann auf eine über vierzigjährige künstlerische Arbeit und Erfahrung zurückblicken. Sein Werk lässt den Betrachter konstante Strukturen des Wirkens erkennen. Weder die Person des Künstlers noch seine Arbeiten wollen sich dem Betrachter bewusst aufdrängen. Klinger setzt mit großer innerer Emotionalität seine künstlerischen Ideen um und fühlt sich dabei oftmals über längere Zeiträume einer Grundthematik verpflichtet. Mit Energie arbeitet er an seriellen Bildkompositionen und seine gesamte Konzentration gilt dann dieser Schaffensperiode.

Die künstlerische Entwicklung Klingers lässt sich relativ deutlich und als stringent verfolgen. Wichtige Ausgangspunkte sind dabei die Arbeiten, die während seines Aufenthalts in den USA entstanden sind (1985 - 1991). Hier spürt man das emotionale Umfeld, das ihn eine breit gefächerte farbliche Palette benutzen ließ. Viele Arbeiten sind geprägt von heftiger gestischer Dynamik und es ist deutlich zu erkennen, dass die informelle Kunst dem Kunstschaffenden wichtige Anstöße gab. Der Grad der Abstraktion und die gesamte ästhetische Grundauffassung bewegen sich in dem Bereich einer heftigen Malerei.

Seit etwa 1995 werden die Arbeiten Klingers in der Farbigkeit düsterer und dunkler. Ausgehend von einer nahezu monochromen Farbauffassung wird die Farblichkeit der Arbeiten gezielt reduziert. Auslösender Faktor hierfür ist Klingers schon angesprochene Emotionalität, mit der er an seine künstlerische Arbeiten heran geht. Der Irak-Krieg beschäftigt in diesen Jahren den Künstler nachhaltig und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sein thematischer Schwerpunkt jener Zeit, der menschliche Kopf, eng damit zusammenhängt. Das menschliche Antlitz steht im Mittelpunkt seines Schaffens, aber es sind keine Portraitstudien, sondern emotionale Auseinandersetzungen mit der Kreatur Mensch. Klingers Malerei erfordert den ganzen körperlichen Einsatz des Künstlers, er bringt die Farben auf den Untergrund auf, meist Acrylfarben auf Karton, und verarbeitet sie mit Kratzen, Schaben und Reißen. Die Arbeiten werden decollagiert und Klinger setzt das fort, was er auch schon früher mit großer Begeisterung tat, er experimentiert mit immer neuen Techniken und Materialien. Eine Besonderheit ist seine Verwendung von Beizen, ein eher ungewöhnliches Material, das den Bildern einen ganz eigenartigen Farbschleier verleiht.

Nach gut zwei Jahren beendet Klinger seine Auseinandersetzung mit dem Thema Kopf. Die Thematik schlägt nahezu ins Gegenteil um. In der Arbeit „No more heads“ realisiert Klinger dies direkt. Jetzt sind es Formen, Zeichen und Figuren, die in den Mittelpunkt seiner thematischen Auseinandersetzung rücken. Die künstlerischen Techniken, seine Lust, immer wieder Neues auszuprobieren und die düsteren Farbigkeiten werden beibehalten, aber die thematische Auseinadersetzung kreist um Formen und Zeichen.

Ein besonderes Symbol spielt eine bedeutende Rolle in Klingers Leben und damit auch in seiner künstlerischen Arbeit – das Kreuz. Klinger möchte im Schulklassenzimmer die Allgegenwärtigkeit des christlichen Symbols nicht akzeptieren und stößt auf die geballte Macht der bayerischen Ministerialbürokratie. Eine Abmahnung ist die Folge einer Abhängaktion. Daraus wird eine verschärfte künstlerische Auseinandersetzung mit diesem Symbol. In vielen seiner Arbeiten thematisiert Klinger seine kritische Einstellung und weitet sie aus auf benachbarte Themenkreise wie Kirche und Frau.

Grundsätzlich wächst aus dieser Auseinandersetzung die Skepsis des Künstlers gegen alles, was in seinem Umfeld einen Denkmalcharakter hat. Heiligtümer oder wie auch immer geartete „Säulenheilige“ sind in seinen Augen ebenso fragwürdig wie durch Rangordnung geschaffene Autoritäten. Diese Themenkomplexe unterliegen seiner künstlerischen Auseinandersetzung. Dekonstruktive Verarbeitung mit starker emotionaler Kraft bringt eine Reihe sehr bemerkenswerter künstlerischer Beiträge und der Betrachter spürt hier den Dialog, den der Künstler zwischen seinen Arbeiten und dem sozialen Alltag pflegt.

Einen fast ruhigen Gegenpol dazu bildet der Themenkomplex „Frau“, der Klinger in dieser Zeit ebenfalls intensiv beschäftigt. Akt, Tanz und Bewegung setzen den weiblichen Körper in Szene, während Themenbeziehungen zwischen Frau und Katze, oder Frau und Blume neue emotionale Tiefen eröffnen.

Klingers „Malen von Bildern“ ist nie als eine ruhige, kreative Atelierkunst zu verstehen. Die emotionale Komponente prägt sein künstlerisches Schaffen voll und ganz. Nicht ohne Grund begeistert sich Klinger immer wieder für Arbeiten der Meister informeller, gestischer Malerei. Ob Emil Schumacher oder Sonderborg, ob K. O. Götz oder Emilio Vedova, ob die Obsessionen eines Jackson Pollock oder der anderen amerikanischen „Abstrakten Expressionisten“, stets ist Klinger begeistert von der spürbaren emotionalen Umsetzung. Klinger versucht zu keinem Zeitpunkt, eines dieser seiner künstlerischen Vorbilder zu kopieren oder sich auch nur stilistisch von ihnen anregen zu lassen. Was ihn fasziniert ist das Aufgehen der Künstler in diesem konkreten „Prozess des Schaffens“.

Auch bei Klinger bilden dieser Prozeß und das Werk eine Art Einheit. Zurückgezogen in seinem „Atelier“ arbeitet Klinger an seinen Bildern. Der Malgrund, Leinwand oder Karton, liegen auf dem Boden. Der Prozess der Bearbeitung hat unterschiedlichste Facetten. Nicht selten werden schon erarbeitete Bilder regelrecht vernichtet, übermalt, überarbeitet. So entstehen auf schon gebrauchtem Untergrund neue Arbeiten, Schichten lagern übereinander und werden decollagiert. Die Bearbeitung erfolgt mit ganzem körperlichem Einsatz und es kann auch durchaus sein, dass der Abdruck der Schuhsohle Reflex dieser Emotionalität ist. Kratzen oder Schaben, Reißen und neuer Farbauftrag verlangen körperlichen Einsatz. Als Ergebnis solcher oftmals nächtlicher Sessions präsentiert Klinger seine neuen Bilder und es gehört zu seinem persönlichen Stil, dass der Betrachter an seinen Bildern diesen emotionsgeladenen Entstehungsprozess nur erahnen kann.

Parallel zu seinen malerischen Arbeiten widmet sich Klinger mit großem Einsatz auch immer wieder der Grafik und Druckgrafik. Die Spannbreite seiner Palette, soweit man bei seinem Farbauftrag überhaupt von Palette sprechen kann, bleibt in den düsteren Schwarz-, Blau- und Brauntönen. Auch seine grafischen Arbeiten leben von der Schichtung, von Verletzungen und Überarbeitungen. Illustrierte, alte Bücher, Zeitungen oder Papiere mit starken Spuren fordern den Kunstschaffenden heraus. Neben Übermalungen arbeitet Klinger auch druckgrafisch – Linolschnitte, Unikatdrucke oder kleinere Auflagendrucke sind das Ergebnis dieser Schaffensphase. Auch hierbei reizt Klinger wieder das Experimentieren und es ist verständlich, dass er sich mit besonderer Fantasie der Bearbeitung alter Bibelseiten widmet. Sie fordern ihn in ganz besonderer Weise und wir erkennen immer wieder Klingers Handschrift.

Klingers künstlerisches Schaffen, ob Malerei oder Grafik, lebt von dem dynamischen Kontrast seiner experimentellen Formensprache und seiner dunklen Farbtöne, der den Arbeiten einen speziellen Ausdruck verleiht. Figurative Grundstrukturen, künstlerische Dekonstruktion und eine düstere Farbigkeit gehen einen einheitlichen Ausdruckswillen ein. Gerade hier liegt die individuelle Kraft von Klingers Werk.